11.06.2008 Fortbildungsstätte ist keine Arbeitsstätte

Mit Urteil vom 10. April 2008 VI R 66/05 hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine Rechtsprechung zur Ermittlung von Fahrtkosten zu einer nebenberuflichen Bildungsstätte fortentwickelt.

Im Streitfall hatte ein Arbeitnehmer neben seiner Vollbeschäftigung vier Jahre lang an zwei Abenden und am Samstag an einer auswärtigen beruflichen Bildungsmaßnahme teilgenommen. Das Finanzamt beurteilte das Bildungsinstitut als weitere regelmäßige Ausbildungs- bzw. Arbeitsstätte des Klägers und berücksichtigte daher die Fahrtkosten nur durch Ansatz der Entfernungspauschale.

Dieser Auffassung schloss sich der BFH nicht an. Eine Bildungseinrichtung wird im Allgemeinen nicht zu einer regelmäßigen Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Einkommensteuergesetz a.F. (EStG) (jetzt § 9 Abs. 2 EStG), wenn ein vollbeschäftigter Arbeitnehmer eine längerfristige, jedoch vorübergehende berufliche Bildungsmaßnahme durchführt. Die Fahrtkosten zu dem Bildungsinstitut sind deshalb nicht mit der Entfernungspauschale, sondern in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten zu berücksichtigen. Der BFH hob zur Begründung insbesondere hervor, der Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte, der demjenigen des Tätigkeitsmittelpunkts i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG (zum Verpflegungsmehraufwand) entspreche, sei nur erfüllt, wenn die dortige Tätigkeit auf Nachhaltigkeit und Dauer angelegt sei. Entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung könne deshalb eine auswärtige Tätigkeitsstätte nicht durch bloßen Zeitablauf von drei Monaten zur regelmäßigen Arbeitsstätte werden. Die Voraussetzungen einer regelmäßigen Arbeitsstätte seien auch nicht erfüllt, wenn ein Bildungsinstitut im Rahmen einer nebenberuflichen Fortbildungsmaßnahme längerfristig über vier Jahre aufgesucht werde.

Quelle: Pressemitteilung des BFH vom 11.06.2008

16.05.2008 Vorerst ist nicht mit Steuersenkungen zu rechnen

In den letzten Tagen wurde in den Medien berichtet, dass möglicherweise noch in dieser Legislaturperiode mit Steuersenkungen zu rechnen ist.

Bundeskanzlerin Merkel hatte vor ihrer Lateinamerikareise ihre grundsätzliche Bereitschaft zu Steuersenkungen signalisiert, um die Bürger an den Steuermehreinnahmen teilhaben zu lassen.

„So lange wir Schulden machen müssen, können wir keine Steuern senken“, gab Pofalla heute in der ARD zu verstehen. Mit einer Steuersenkung sei daher vorerst nicht zu rechnen.

Es bleibt abzuwarten, ob die Bundesregierung beim Kindergeld, dem Kinderfreibetrag und der Pendlerpauschale in diesem Jahr noch nachbessert.

05.05.2008 Kassenendsummenbons enorm wichtig

In dem vorliegenden Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH, Az. X B 189/07) ging es um einen Lebensmitteleinzelhändler, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte (nicht Bilanz!).

Der Einzelhändler setzte in seinem Betrieb eine Registrierkasse ein, hob jedoch die Kassenendsummenbons nicht auf. Stattdessen zeichnete er die Tagesendsummen eigenhändig gesondert auf.

Sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht Berlin-Brandenburg haben diese Aufzeichnungen verworfen und die Betriebseinnahmen stattdessen geschätzt. 

Steuerpflichtige, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln, sind nicht buchführungspflichtig. Für die Ermittlung des steuerlichen Gewinns oder der Umsatzsteuer sind jedoch Aufzeichnungen erforderlich.

Der BFH konkretisiert im aktuellen Beschluss, dass auch bei der Einnahmen-Überschussrechnung Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben durch Belege nachgewiesen werden. Da der Einzelhändler die der Gewinnermittlung zugrunde liegenden Belege jedoch nicht mehr vorweisen konnte, durfte das Finanzamt die Einnahmen schätzen.

23.04.2008 Private Pkw-Nutzung durch den Gesellschafter einer GmbH

Der Vorteil aus der Privatnutzung eines Firmenwagens ist bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. Januar 2008 I R 8/06 nicht unter Anwendung der sog. 1%-Methode zu besteuern.

Es ist in der Praxis gang und gäbe, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer ein Fahrzeug zur privaten Nutzung zur Verfügung stellt. Beim Arbeitgeber führt dies im Umfang der tatsächlichen Betriebskosten zu abzugsfähigen Betriebsausgaben und beim dem Arbeitnehmer zu steuerpflichtigem Arbeitslohn, der im Regelfall pauschal für jeden Kalendermonat mit 1 % des Listenpreises des Fahrzeugs zu versteuern ist. Gleichermaßen ist im Grundsatz zu verfahren, wenn dem Arbeitnehmer die Nutzung untersagt ist, er das Fahrzeug aber dennoch privat nutzt.

Handelt es sich in einem solchen Fall des Nutzungsverbots bei dem Arbeitgeber um eine GmbH und bei dem Arbeitnehmer um deren Geschäftsführer und zugleich Gesellschafter, liegen die Dinge komplizierter. Über einen solchen Fall hatte der BFH durch Urteil vom 23. Januar 2008 I R 8/06 zu entscheiden:

Die Betriebsaufwendungen stellen dann bei der GmbH steuerpflichtige verdeckte Gewinnausschüttungen dar, der Gesellschafter-Geschäftsführer vereinnahmt keinen Arbeitslohn, sondern Kapitaleinkünfte. Der BFH bemisst die verdeckte Gewinnausschüttung bei der GmbH nicht mit 1% des Listenpreises, sondern mit dem tatsächlichen Verkehrswert des Nutzungsvorteils und erhöht diesen Wert noch um einen Gewinnaufschlag. Er weicht damit von der Finanzverwaltung ab, die die verdeckte Gewinnausschüttung sowohl bei der GmbH als auch bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer aus Vereinfachungsgründen ebenfalls mit 1 % des Listenpreises bewertet.

Im konkreten Fall ging es um den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, der den Firmen-Pkw, einen Jaguar XJR V8 mit einem Bruttolistenpreis von seinerzeit rund 138 000 DM, privat genutzt hatte, obwohl ihm dies vertraglich ausdrücklich untersagt war.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 44/2008 des Bundesfinanzhofes vom 23. April 2008 zu dem BFH-Urteil vom 23.01.08 (I R 8/06).

16.04.2008 Überzahlungen sind umsatzsteuerpflichtig

In der Praxis keine Seltenheit sind Überzahlungen oder Doppelzahlungen von Kunden. Solche Zahlungen werden häufig auf ein Verrechnungskonto gebucht oder sogar dem Kundenkonto gutgeschrieben.

Solche Gutschriften auf Verrechnungs- oder Personenkonten lösen aber in der Regel keine Umsatzsteuer aus.

Das sei falsch, so der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 19.07.2007 (Az. V R 11/05).

Der vom Kunden gezahlte Gesamtbetrag (inklusiv Doppel- oder Überzahlung) sei Entgelt im Sinne des Umsatzsteuergesetzes und löse demnach Umsatzsteuer aus. Wird der Betrag später an den Kunden zurückgezahlt, liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage vor. Auf diesem Wege kann dann die Umsatzsteuer auch vom Finanzamt wieder zurückgefordert werden.

15.04.2008 Belastung mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer europarechtswidrig?

Unter bestimmten Voraussetzungen (einheitlicher Leistungsgegenstand oder einheitliches Vertragswerk) werden Bauleistungen in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen.

Ein einheitlicher Leistungsgegenstand wird angenommen, wenn bei einem Grundstückskaufvertrag über ein unbebautes Grundstück der Veräußerer mit einem Bauträger zusammenarbeitet und der Vertrag zur Errichtung des Hauses quasi schon mit dem Grundstückskaufvertrag abgeschlossen wird.

Die Grunderwerbsteuer mit 3,5 Prozent bemisst sich dann nach dem Kaufpreis des Grundstücks zuzüglich dem Wert der Bauleistungen. Obwohl bei Abschluss des Kaufvertrages nur ein unbebautes Grundstück erworben wurde, wird ein bebautes Grundstück mit dieser Steuer belegt.

Das Finanzgericht Niedersachsen legt mit seinem Beschluss 7 K 333/06 nun die Frage dem Europäischen Gerichtshof vor, ob die Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer (in den Bauleistungen enthalten) gegen das Europäische Umsatzsteuer-Mehrbelastungsverbot verstößt. Das Finanzgericht stellte fest, dass es sich bei dieser Doppelbelastung um eine Art Sonderumsatzsteuer auf Bauleistungen handelt. Diese kann – so die Klägerpartei – wettbewerbsverzerrend wirken.

Es bleibt nun abzuwarten, ob der Europäische Gerichtshof der deutschen Rechtsauffassung zustimmt.

09.04.2008 Anforderungen an zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 61/05 entschieden, dass zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen grundsätzlich den richtigen Namen (Firma) und die richtige Adresse des leistenden Unternehmers angeben müssen. Der sog. Sofortabzug der Vorsteuer gebiete es, dass der Finanzverwaltung eine leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers ermöglicht werde.

In der Vergangenheit waren nur Fälle von Gesellschaften mit beschränkter Haftung als leistende Unternehmer Gegenstand der Verfahren. Der Vorsteuerabzug sollte nur möglich sein, wenn bei Ausführung der Leistung durch die GmbH der in der Rechnung ausgewiesene Sitz der GmbH tatsächlich bestanden habe. Der Leistungsempfänger trage hierfür die Feststellungslast. Es gehöre zu den Obliegenheiten eines Unternehmers, die Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu überprüfen.

Mit diesem Urteil werden die Anforderungen auf alle Unternehmer – unabhängig von der Rechtsform, in der sie ihr Unternehmen betreiben – erstreckt.

Im Downloadbereich finden Sie eine Musterrechnung mit kurzen Erläuterungen zu allen relevanten Angaben.

08.04.2008 Wohn-Riester / Eigenheimrente auf den Weg gebracht

Das Bundeskabinett hat heute die sogenannte Eigenheimrente – auch Wohn-Riester genannt – beschlossen. Die Änderungen sollen bereits rückwirkend ab dem 01.01.2008 gelten.

Die bisherigen Regelungen zu einem Riester-Renten-Vertrag sahen vor, dass ab einem in den Vertrag eingezahlten Guthaben von mindestens 10.000 EUR maximal 50.000 EUR für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung oder eines Hauses im Inland entnommen werden dürfen. Das entnommene Geld muss bis zum 65. Geburtstag wieder in den Vertrag eingezahlt worden sein. Wichtig ist, dass nur eingezahltes Kapital entnommen werden kann. Ein Darlehen wird durch diesen Vertrag nicht gewährt.

Nach dem nunmehr eingebrachten Gesetzesentwurf sollen zukünftig bis zu hundert Prozent entnahmefähig sein (keine Beschränkung mehr auf 50.000 EUR). Ferner soll die Einzahlung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr nötig sein.

In der Praxis sind in der Vergangenheit solch hohe Summen selten zustande gekommen, da Interessierte nach Vertragsabschluss oftmals nur den minimalen Betrag zur maximalen steuerlichen Förderung eingezahlt haben. Fraglich ist, ob die Gesetzesänderung den Riester-Vertrag attraktiver macht.

Es bleibt nun abzuwarten, wie sich der Gesetzesentwurf im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens entwickeln wird.

02.04.2008 Umsatzsteuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung

Heute veröffentlichte der Bundesfinanzhof sein Urteil zum sog. Buch- und Belegnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen.

Eine innergemeinschaftliche Lieferung liegt vor, wenn ein Unternehmer Waren an einen anderen Unternehmer innerhalb der Europäischen Union für dessen Unternehmen liefert. Die Ware – gleich welcher Art – muss hierbei auf jeden Fall physisch bewegt werden.

Im Urteilsfall wurde ein Pkw von einem deutschen Unternehmen an ein französisches Unternehmen veräußert. Der Käufer beauftragte einen Dritten mit der Abholung des Pkw. In solchen Abholfällen sieht § 17a der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung vor, dass der liefernde (hier deutsche) Unternehmer im Besitz einer Empfangsbestätigung sowie einer Versicherung, die Ware in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern, ist.

Wegen der fehlenden Empfangsbestätigung und Versicherung versagte das Finanzamt die Umsatzsteuerfreiheit dieser Lieferung. Zu Recht, wie der Bundesfinanzhof nunmehr entschied. Die Regelung im deutschen Umsatzsteuerrecht seien europarechtskonform und stehen im Einklang mit der sechsten EG-Richtlinie.

Im Urteilsfall ging es um eine vermeidbare Umsatzsteuer-Nachforderung in Höhe von 23.186,20 DM.

Der entschiedene Fall zeigt nur einmal mehr, dass gewisse Formalien bei Lieferungen in das Ausland (Europäische Union oder Drittland) einzuhalten sind.

Aktenzeichen des Bundesfinanzhofs: V R 71/05 und V R 72/05

31.03.2008 Umsatzsteuerbefreiung bei gefälschtem Ausfuhrnachweis

Die Umsatzsteuerbefreiung für eine Ausfuhrlieferung ist auch dann zu gewähren, wenn zwar die gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, der (hier deutsche) Lieferant das aber trotz Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

Der Europäische Gerichtshof hatte in seinem Verfahren C-271/06 zu entscheiden, ob eine Umsatzsteuerbefreiung auch bei gefälschtem Ausfuhrnachweis gewährt werden kann. Der Bundesfinanzhof legte dem Europäischen Gerichtshof diese Frage mit Beschluss vom 2. März 2006 (Az. V R 7/03) vor.

Das deutsche Umsatzsteuerrecht sieht eine Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen (Lieferungen aus Deutschland in ein Land außerhalb der Europäischen Union) vor, wenn der deutsche Lieferant einen Ausfuhrnachweis erbringt. Beruht die Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers undkonnte der Lieferant das bei Beachtung der Sorgfalt eine ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen, ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen.

Genau diese Steuerbefreiung wurde dem Lieferanten vom Finanzamt versagt.

Der Fall:

Eine Supermarktkette verkaufte – vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union – Waren an polnische Abnehmer. Nach Vorlage des Reisepasses und der Ausfuhrbescheinigung der zuständigen Zollbehörde erstattete die Supermarktkette den Kunden die Umsatzsteuer.

Die Supermarktkette bat 1998 das Hauptzollamt Neubrandenburg darum, zu überprüfen, ob der Zollstempel Nr. 73 und die Zollformulare, auf denen er angebracht war, gefälscht seien. Nachdem das Hauptzollamt dies zunächst verneint hatte, teilte es dem Unternehmen mit, dass eine nochmalige Prüfung ergeben habe, dass die ihm von diesem übergebenen Unterlagen Fälschungen seien. In der Folge stellte die Steuerfahndungsstelle fest, dass polnische Staatsbürger zwischen 1993 und 1998 einen großen Teil der Ausfuhrnachweise mit falschen Zollformularen angefertigt bzw. diese vermeintlichen Nachweise mit einem falschen Zollstempel versehen hatten.

Der Europäische Gerichtshof entschied, dass in einem derartigen Fall die Steuerbefreiung zu gewähren ist. Immerhin hatte selbst das Hauptzollamt auf Anhieb die Fälschung nicht als solche erkannt.